„Monde vor der Landung“ von Clemens J. Setz
Indem er in „Monde vor der Landung“ von einem historischen Querdenker erzählt, befeuert Clemens J. Setz natürlich auch hochaktuelle Debatten
„Monde vor der Landung“ von Clemens J. Setz ist unsere Buchempfehlung der Woche
Clemens J. Setz liebt die Freaks, und in dem Wormser Hohlwelt-Verfechter Peter Bender hat er einen Spinner gefunden, der dem 40-jährigen Georg-Büchner-Preisträger für einen biografischen Roman mit mehr als 500 Seiten taugt. Nachdem jener Bender schwer verwundet aus dem Ersten Weltkrieg heimkehrt, gründet er 1919 mit der Wormser Menschheitsgemeinde eine obskure Religionsgemeinschaft: Das kopernikanische Weltbild hält er schlicht für Propaganda, seiner Meinung nach lebt die Menschheit nicht auf, sondern in einer Kugel, und je mehr Benders hanebüchene Thesen widerlegt und angefeindet werden, desto durchgeknalltere Beweisführungen hält er dagegen.
Wegen Gotteslästerei landet er zunächst im Gefängnis, später in der Psychiatrie, er stellt den Kontakt zu der amerikanischen Koresh-Gemeinde her, die sein Weltbild teilt – doch bevor er in die USA emigrieren kann, landet Bender im Konzentrationslager und wird von den Nazis getötet.
„Monde vor der Landung“ wird zur literarischen Großtat, weil Clemens J. Setz seinen Antihelden nicht vorführt
Setz weiß, die Verschwörungstheorie auch über eine so lange Strecke extrem unterhaltsam zu halten. Er baut Fotos, Auszüge aus Briefen und sogar psychiatrische Gutachten ein und gibt Benders Gedankenwelt mit ganz feiner Ironie wieder. Doch zur literarischen Großtat wird „Monde vor der Landung“ vor allem dadurch, dass Clemens J. Setz seinen Antihelden nicht vorführt: Ohne die Gefahren von Benders Thesen herunterzuspielen, die sich nicht zuletzt auch in einem äußerst fragwürdigen Frauenbild zeigen, blickt er empathisch auf den Menschen und die gesellschaftlichen Umstände.
„Monde vor der Landung“ ist unsere Buchempfehlung der Woche. Zuletzt haben wir an dieser Stelle „People Person“ von Candice Carty-Williams vorgestellt.