Lesetipps für die Osterfeiertage
Ein letzter harter Lockdown? Mit guten Romanen lässt sich auch noch diese Hürde nehmen. Die besten Bücher im April 2021 mit Katharina Höftmann Ciobotaru, Charlie Kaufman und Megan Hunter.
Mit Drehbüchern wie „Being John Malkovich“ hat er das Kino revolutioniert. Jetzt nimmt sich Charlie Kaufman die Literaturwelt vor – und erzählt in seinem Debütroman von einem weißen alten Mann, der auch noch ein erfolgloser Filmkritiker ist. Schafft Kaufman es mit „Ameisig“ auf Anhieb an die Spitze unserer Liste der besten Bücher im April 2021? Harte Konkurrenz bekommt er von Julia Philipps. Sie lässt ihren Debütroman wie einen Thriller beginnen, doch dann offenbart „Das Verschwinden der Erde“ eine unerwartete Tiefe. auch Megan Hunter ist im rennen um die Spitzenpositionen auf unserer Liste der besten Bücher im April 2021. Ihr Roman „Die Harpyie“ hält keine Überraschungen bereit: wie bei einer griechischen Tragödie nimmt das Schicksal seinen vorherbestimmten Lauf. Doch die Frage, wie genau das Verhängnis hereinbrechen wird, fesselt ungemein.Und schließlich sind da auch noch Christoph Ransmayr, Katharina Höftmann Ciobotaru und Camila Sosa Villada: Sie alle wollen auf unserer Liste der besten Bücher im April 2021 hoch hinaus.
Die besten Bücher 2021: Lesetipps für die Osterfeiertage
6. Camila Sosa Villada: Im Park der prächtigen Schwestern
Ihr Vater prophezeit Camila einen Tod im Straßengraben, als sie aufhört, sich als sein Sohn zu verkleiden. Camila wird als Christian in dem kleinen Kaff Mina Clavero in Argentinien geboren und offenbart sich in jungen Jahren als die Frau, die sie schon immer gewesen ist. Eine Entscheidung, die ihr Leben für immer spaltet – so, wie auch „Im Park der prächtigen Schwestern“ gespalten ist. Der autobiografische Debütroman der Autorin und Schauspielerin Camila Sosa Villada pendelt zwischen Nüchternheit und Exzess, zwischen Grausamkeit und Schönheit, zwischen Realismus und Fabel. Camila verlässt das Kaff, ihren grausamen Vater, ihre ängstliche Mutter, und schließt sich einer Wahlfamilie aus jungen trans Frauen an, die im Sarmiento-Park in Córdoba als Prostituierte arbeiten. Unter der Obhut der Tía Encarna, einer trans Schutzheiligen und Mutterfigur, feiern sie ihr Leben als trans Frauen in einem Rausch aus Drogen und Konsum – und solidarisieren sich gegen die Gewalt, die sie erfahren und die Angst, die diese mit sich bringt. Villada wechselt für die beiden Pole, zwischen denen ihre Protagonistinnen leben, mühelos von märchenhaft schillernder Prosa zu sachlichem Realismus. Sie erzählt von einer jungen Camila, die ihr erstes Mal mit vier Polizisten hat, damit diese sie nicht bei ihrem Vater verpfeifen; sie erzählt von Männern ohne Kopf und von Frauen, die sich in Wölfe und Vögel verwandeln – und zeigt die Verlogenheit einer Gesellschaft, die das verbannt, was sie begehrt.
Suhrkamp Nova, 2021, 220 S., 15 Euro
Aus d. Span. v. Svenja Becker
5. Katharina Höftmann Ciobotaru: Alef
Mit Ecco bereichert die Verlagsgruppe HarperCollins den hiesigen Buchmarkt in diesem Frühjahr um einen neuen Verlag. Besonderheit: Ein komplett weibliches Team bringt ausschließlich Bücher von Frauen heraus. Dass die fünf Titel des ersten Ecco-Programms dennoch nicht exklusiv für Frauen sind, beweist „Alef“. Katharina Höftmann Ciobotaru zeigt in ihrem dicht gewebten Roman auf, wie die Geschichte einer Familie deren Mitglieder über Generationen hinweg prägt. Während Maja in der DDR geboren wurde, flohen Eitans jüdische Vorfahren dereinst aus Deutschland und dem Irak nach Israel. Im Hier und Jetzt verbindet die beiden eine große Liebe – und doch werden beide immer wieder auf ihre Herkunft zurückgeworfen. Dass die 1984 in Rostock geborene Autorin heute selbst der Liebe wegen in Tel Aviv lebt, verleiht „Alef“ eine autobiografische Basis. Auf dieser gründet eine emotionale, zugleich oft nüchtern erzählte Familien- und Liebesgeschichte, die von Schuld und Vergebung, Verständnis und Hoffnung handelt – und letztlich davon, ob und wie eine deutsch-israelische Liebe gelingen kann. So viel sei gespoilert: Sie kann. Nur einfach ist es eben nicht. Mit „Alef“ schafft es Katharina Höftmann Ciobotaru auf unsere Liste der besten Bücher im April 2021.
Ecco, 2021, 432 S., 22 Euro
4. Christoph Ransmayr: Der Fallmeister. Eine kurze Geschichte vom Töten
In etwa 200 Jahren: Europa ist in Kleinststaaten zerfallen, die USA sind nur noch ein Rumpfstaat, Asien bestimmt die Weltpolitik, und die multinationalen Konzerne bestimmen den ganzen Rest. Die Ursache für dieses postapokalyptische Szenario ist der Klimawandel, der von den österreichischen Alpen bis an den Mekong und den Amazonas alles auf den Kopf gestellt hat. In diese Welt schickt Christoph Ransmayr mit seinem ersten Science-Fiction-Roman einen Hydrotechniker aus der Grafschaft Bandon, die irgendwo im heutigen Österreich zu verorten ist. Der Vater war mal Fallmeister an einer komplizierten Schleuse, als es diesen Beruf noch gab, jetzt betreibt er ein Museum. Als er bei einer Feierlichkeit fünf Menschen in der Schleuse zu Tode bringt, glaubt der Sohn felsenfest, dass es Mord war. Christoph Ransmayr stellt in diesem alptraumhaften Roman die ganz große Frage: Wie fallen Menschen in die Barbarei zurück? Er stellt sie am Beispiel Kambodschas und der Roten Khmer genauso wie am Beispiel der Weltkriege, die die zerfallenden Großmächte führen. Sein Held bettet diese Themen in seine fiebrige Suche ein: nach der Schwester, die er inzestuös liebt, nach seinem Vater, den er mit seinen Morden konfrontieren will, und nach seiner Mutter, die aufgrund einer rassistischen Säuberung aus der Grafschaft deportiert worden war.
S. Fischer, 2021, 224 S., 22 Euro
TOP 3
3. Julia Philipps: Das Verschwinden der Erde
In Petropawlowsk, der einzigen Großstadt auf der sibirischen Halbinsel Kamtschatka, werden zwei kleine Mädchen von einem Fremden entführt. Julia Philipps lässt ihren Debütroman „Das Verschwinden der Erde“ wie einen klassischen Thriller beginnen, doch schon bald offenbart sich eine unerwartete Tiefe. Statt mit der Mutter der Mädchen zu leiden oder den Ermittlungen zu folgen, treffen wir in jedem Kapitel auf andere Frauen und Mädchen der Stadt, die alle auf ihre Art von dem Fall berührt werden: die Schulkameradin, die nicht mehr ihre Freundin besuchen darf. Die Frau des Polizeiinspektors, die gerade ein Baby bekommen hat und zu Hause festsitzt. Die lesbische Rezeptionistin, die aus Angst vor Homophobie ihre Sexualität unterdrückt. Und die junge Mutter, deren Schwester vor Monaten ebenfalls verschwunden ist – was aber keinen kümmert, weil sie nicht weiß ist. So setzt Philipps das Mosaik einer kalten, isolierten Stadt zusammen, in der die Entführung lediglich die sichtbarste Form sexistischer Gewalt ist. Wenn sie die fein gesponnenen Fäden überraschend doch noch zu einem atemlosen Finale zusammenführt, ist das nur der Höhepunkt eines meisterhaft konstruierten Gesellschaftsporträts, das es auf unserer Liste der besten Bücher im April 2021 bis auf Platz drei schafft.
dtv, 2021, 376 S., 22 Euro
Aus d. Engl. v. Pociao u. Roberto de Hollanda
2. Charlie Kaufman: Ameisig
„Being John Malkovich“, „Vergiss mein nicht!“, „Synechdoche, New York“: In den Nullerjahren war der Drehbuchautor und Regisseur Carlie Kaufman nicht nur Kritikerliebling, sondern auch an der Kinokasse sehr erfolgreich. Doch weil die Studios immer weniger bereit sind, abgedrehte und kostspielige Filme zu wagen, weicht der 62-jährige New Yorker jetzt auch auf die Literatur aus, wo er keine Budgeteinschränkungen fürchten muss und komplett freidrehen kann: Sein Debütroman kommt auf stolze 864 Seiten, und der Plot toppt den Irrsinn seiner Drehbücher, während er zugleich vertraute Motive aufgreift, wie etwa das Löschen und Wiederholen von Erinnerungen. Antiheld von „Ameisig“ ist der Endfünfziger B. Rosenberg, ein Filmfreak, der abseitige Kritiken und Bücher schreibt, die kaum jemand liest, und der sich als Dozent so gerade eben in New York über Wasser halten kann. Als er für eine Recherche nach St. Augustine reist, lernt er den 119-jährigen Afroamerikaner Ingo Cutbirth kennen, der seit 90 Jahren an einem Film arbeitet. Rosenberg wittert die Chance seines Lebens: Womöglich ist das dreimonatige Epos der wichtigste Film aller Zeiten, und tatsächlich erklärt Cutbirth sich bereit, ihm das Werk vorzuführen – doch dann verstirbt der Regisseur während der Vorführung. Rosenberg hält sich nicht an die Absprache, den Film nach dessen Tod zu zerstören. Wie gebannt schaut er ihn bis zum Ende und ist immer euphorisierter. Doch als er das Werk für weitere Sichtungen nach New York überführen will, geht der Laster mit dem hochsensiblen Material in Flammen auf. Zudem erleidet Rosenberg bei seinem Rettungsversuch heftige Brandverletzungen und fällt in ein mehrmonatiges Koma. So ist nicht nur das vermeintliche Meisterwerk verloren, sondern auch Rosenbergs Erinnerung an den Inhalt.
Hanser, 2021, 864 S., 34 Euro
Aus d. Engl. v. Stephan Kleiner
1. Megan Hunter: Die Harpyie
Lucy findet heraus, dass ihr Mann Jake sie monatelang betrogen hat. Eine Trennung wollen beide nicht, schon wegen der zwei kleinen Söhne. Also treffen sie eine Entscheidung: Dreimal darf Lucy sich an Jake rächen – die Form der Strafe bestimmt sie selbst. Alles könnte gutgehen, wäre da nicht Lucys heimliche Faszination für die mythologischen Harpyien: geflügelte Ungeheuer in Frauenform, die grausame Rache an bösen Männern nehmen … Megan Hunters beklemmende Fabel hält kaum Überraschungen bereit; wie bei einer griechischen Tragödie nimmt das Schicksal seinen vorherbestimmten Lauf. Doch die Frage, wie genau das Verhängnis hereinbrechen wird, fesselt ungemein. Zugleich geht Hunter erbarmungslos mit Geschlechterrollen ins Gericht: Lucys völlig normales Leben als Vorstadt-Akademikerin und junge Mutter ist zugleich ein unsichtbares Gefängnis, dem sie nur durch eine monströse Verwandlung entkommen kann. Am verstörendsten aber ist die Ausweglosigkeit, die Hunter suggeriert: Auch der Mythos der Harpyien wurde von Männern geschrieben.
C.H. Beck, 2021, 229 S., 22 Euro
Aus d. Engl. v. Ebba D. Drolshagen
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