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Statt einer „Donda“-Review: 5 Änderungen, die wir uns für Kanyes Album wünschen

Kanye West weißes T-Shirt Kette
Kanye West ((c) MERT & MARCUS)

Der Rapper arbeitet gern an Alben weiter, die schon veröffentlicht sind. Hier sind unsere Vorschläge, wie er das kontroverse „Donda“ verbessern könnte.

Endlich ist Kanye Wests neues Album da. Eigentlich wäre es jetzt Zeit für eine „Donda“-Review. Doch wir haben ehrlich gesagt nicht so recht Lust dazu. Zumindest noch nicht. Denn als langjährige Kanye-Begleiter wissen wir, dass „Donda“ wohl nicht unbedingt in der Form bestehen bleibt, die es aktuell hat. Zum einen hat Kanye auf Instagram verkündet, dass Universal das Album gegen seinen Willen veröffentlicht hat.

Zum anderen hat Ye in der Vergangenheit oft und gern an Projekten herumgeschraubt, die schon draußen waren. Am meisten verändert hat er 2016 an „The Life of Pablo“ – vielleicht das Kanye-Album, dem „Donda“ am meisten ähnelt. „TLOP“ hat sich durch die Justierungen noch um einiges verbessert. Hoffen wir, dass „Donda“ eine ähnliche Behandlung zuteil wird – denn komplett überzeugt, so viel können wir verraten, hat uns die LP bisher nicht. Hier sind daher 5 Verbesserungsvorschläge, die wir uns für eine geupdatete Version von „Donda“ wünschen würden.

1: Die Filler-Tracks streichen

„Donda“ ist zu lang. Da sind sich eigentlich alle einig. Das Album hat 27 Tracks und dauert eine Stunde und 48 Minuten. Hier zu erwarten, dass jeder Moment essenziell ist, wäre zugegebenermaßen übertrieben. Diese Art von Länge kann funktionieren, wenn das Überbordende, Chaotische zum Programmpunkt gemacht wird – West selbst hat es auf „The Life of Pablo“ bewiesen, die Beatles wussten es schon, als sie 1968 das „White Album“ veröffentlich haben.

Aber „Donda“ klingt dafür zu gleichförmig. Nach einem starken, abwechslungsreichen Start dümpelt das Album irgendwann nur noch so dahin. Das bedeutet nicht, dass es keine Highlights gibt: Das hysterische „Heaven and Hell“ bricht in der Mitte des Albums die Glätte auf, und auf „Jesus Lord“ rappt Kanye so kohärent wie lange nicht mehr. Aber zu oft dominiert der immer gleiche Sound: minimalistische Synth-Riffs, entweder wenige oder gar keine Drums, gemächliches Tempo, Orgeln. Brauchen wir wirklich sowohl „24“ als auch „Come to Life“ und „Keep my Spirit alive“?

Wieder andere Tracks fallen komplett aus dem Rahmen: Was hat eine Huldigung des Designers Junya Watanabe hier zu suchen? Und „Tell the Vision“, auf dem der verstorbene Pop Smoke zu hören ist, irritiert mit dem eintönigen, zweitaktigen Sample, das Kanye unter die Lines gelegt hat, und lässt den Verdacht aufkommen, hier wolle nur von dem Hype um den ermordeten Rapper profitiert werden.

2: Mehr „Donda“ wagen

Der Titel macht es deutlich: Hier geht es um Dr. Donda West, Kanyes verstorbene Mutter. Seit „Hey Mama“ von „Late Registration“ ist klar, wie sehr Kanye seine Mutter geliebt hat. Ihr Tod hat damals maßgeblich zum melancholischen Sound von „808s & Heartbreak“ beigetragen. Jetzt wollte Ye ihr endlich ein Denkmal in Albumlänge setzen. Doch auf „Donda“ ist Donda West erstaunlich selten präsent.

Ihre Stimme ist im Titeltrack zu hören – sie redet dort aber vor allem über Kanye selbst. Statt sich mit seiner vielleicht wichtigsten Bezugsperson, mit Trauer und Liebe auseinanderzusetzen, arbeitet sich Ye meist an seinem Lieblingsthema ab: sich selbst. Das irritiert umso mehr, als frühere Versionen des Albums, die Kanye bei diversen Events vorgestellt hat, schon deutlich längere Lautäußerungen seiner Mutter enthalten haben.

3: Woran glaubst du, Kanye?

Und wo wir schon mal dabei sind: Das zweite große Thema, das „Donda“ laut Kanye selbst behandeln soll, ist sein Glaube. Seit einigen Jahren versteht sich der Rapper, der schon immer offen christlich war, als primär religiösen Musiker. Die Songtitel unterstützen diese Behauptung („Praise God“, „Jesus Lord“, „Come to Life“). Doch erneut zeigt sich, was schon auf dem Gospel-Album „Jesus is King“ deutlich war: Kanyes Beziehung zum Christentum bleibt kompliziert und selektiv.

Der Rapper ist Anhänger des sogenannten „prosperity gospel“, zu Deutsch Wohlstandsevangelium – der These, dass irdischer Reichtum direkt von Gott verursacht ist, als Lohn für Frömmigkeit und harte Arbeit. Das ist zwar nicht im Sinne der Bibel, heißt aber, dass man bequemerweise nichts abgeben muss. Dass Kanyes Unterstützung für rechtsextreme Agitator:innen wie Donald Trump oder Candace Owens nicht mit einem Ethos der Nächstenliebe vereinbar ist, ist ohnehin klar. Natürlich kann Kanye glauben, was er will. Trotzdem: Sollte ein christliches Album dieser Länge nicht mehr zu bieten haben als Dankbarkeit für das viele Geld, das man verdient, und Phrasen wie „God’s not finished“ oder „It‘s the kingdom, and the power, and the glory, forever“?

4: Marilyn Manson und DaBaby rausschmeißen

Die größte Kontroverse in der Vorbereitung auf das Album war der letzte Livestream, bei dem Kanye Marilyn Manson und DaBaby auf die Bühne geholt hat. Mehrere Frauen, darunter Schauspielerin Evan Rachel Wood, haben schwere Vorwürfe gegen Manson erhoben: Er soll sie sexuell missbraucht haben. DaBaby wiederum hat unlängst mit homophoben Äußerungen, für die er sich nicht entschuldigen will, einen Shitstorm verursacht.

Hier zeigt sich erneut die Widersprüchlichkeit des Rappers: Während er auf „Donda“ aus religiösen Gründen alle Flüche zensiert hat, tritt er öffentlich gemeinsam mit einem mutmaßlichen Vergewaltiger und einem erklärten Schwulenhasser auf. Noch dazu sind beide Musiker auf dem Album zu hören, und zwar im Track „Jail pt 2“, einer Alternativ-Version des Openers. Was Kanye dazu geritten hat, ist schwer zu sagen. Höchstwahrscheinlich geht es ihm um die Kontroverse an sich.

Nun ist „Jail pt 2“, der mit drei anderen Remixen am Ende des Albums steht, relativ leicht zu ignorieren, indem man einfach vorher auf Pause drückt. Dennoch hinterlässt allein die Präsenz von Manson und DaBaby, die ganz offensichtlich nicht trotz, sondern wegen ihrer kontroversen Handlungen eingeladen wurden, einen negativen Nachgeschmack. Wenn Kanye andere Menschen, darunter Mansons mutmaßliche Opfer und die LGBTQ-Community, tatsächlich am Herzen liegen, sollte er „Jail pt 2“ wieder vom Album streichen – zusammen mit den drei anderen „pt 2“s, die den Flow der LP zerstören und zu „Donda“s Überlänge beitragen.

5: Anderes Artwork

Im Vorfeld hat Kanye West zwei mögliche Cover für „Donda“ geteilt. Darunter war eines, das einen Ausschnitt aus einem Werk von Louise Bourgeois zeigt – einer Künstlerin, die unter anderem für ihre Auseinandersetzung mit ihrer Mutter bekannt ist. Das wäre visuell und thematisch interessant gewesen. Stattdessen ist „Donda“ nun mit einem pechschwarzen Cover ohne Bild oder Text erschienen.

Keine sonderlich originelle Idee, immerhin sind einfarbige Cover spätestens seit dem erneut erwähnenswerten „White Album“ keine Neuheit mehr. Erst 2020 hat Childish Gambino zudem sein Album „3.15.20“mit einem schlichten, weißen Artwork veröffentlicht. Unter dem Gesichtspunkt der überstürzten Veröffentlichung kommt außerdem der Verdacht auf, dass schlicht keine finale Entscheidung getroffen wurde, bevor Universal das Album mit der Welt geteilt hat.

Und so landen wir wieder bei der Frage, wie viel Kontrolle Kanye zuletzt wirklich über den Release gehabt hat. Womöglich hat ihm am Sonntag noch ein völlig anderes Album vorgeschwebt. So oder so ist es nicht unwahrscheinlich, dass sich bei „Donda“ noch einiges ändert. Wir können vorerst nur abwarten – und hoffen.

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