15 Jahre Editors: Sänger Tom Smith zu Best-of-Album „Black Gold“
Nach sechs Alben und etlichen Richtungswechseln zieht Editors-Sänger Tom Smith eine durchaus positive Zwischenbilanz. Doch gibt es eine nicht ganz unwesentliche Nebensache, die ihm Sorgen bereitet.
Tom, mit dem Best-of-Album „Black Gold“ blickt ihr zurück auf 15 Jahre Editors. Hast du bei der Zusammenstellung neue Erkenntnisse über die Band gewonnen?
Tom Smith: Ich habe mich lange gegen „Black Gold“ gesperrt, weil mir Nostalgie zuwider ist. In gewisser Weise haben wir die Band ja gegründet, weil wir uns nach ewiger Jugend gesehnt haben. Jetzt sind wir Ende 30, und wenn man ein Best-of-Album veröffentlicht, fühlt man sich automatisch alt. Bei der Arbeit an „Black Gold“ habe ich mich dann auch dabei erwischt, wie sehr ich es genieße, über die Vergangenheit zu reden und uns für das bisher Erreichte zu feiern. In dieser schnelllebigen Zeit haben wir verdammt lange durchgehalten. Wir haben uns nie wiederholt, immer nach neuen Herausforderungen gesucht, und wir haben viele treue Fans, die sich auch auf radikale Umbrüche einlassen.
Was war euer mutigster Schritt?
Smith: Unser drittes Album „In this Light and on this Evening“. Damals war Gitarren-Indie ein Teil der Mainstreamkultur, und wir wurden ganz klar über diese Szene identifiziert. Uns war natürlich bewusst, wenn wir ein Album mit Flood aufnehmen und die Gitarren weglassen, wird das ein Großteil unseres Publikums schockieren. Zudem war auf der Platte kein Singlehit, und auch bei „Papillon“ haben zunächst viele Radiosender die Nase gerümpft. Trotzdem hätten wir es ohne diesen radikalen Schritt niemals bis hierher geschafft, und ich bin bis heute wahnsinnig stolz auf diese Platte. Was ist denn aus all den Bands geworden, die auf ihrem angestammten Sound hängengeblieben sind?
Habt ihr in all der Zeit Fehler gemacht, die du heute bereust?
Smith: So manchen Haarschnitt kann ich heute nicht mehr rechtfertigen, und natürlich gibt es auf jeder Platte einzelne Songs, die ich im Nachhinein gern verändern würde. Aber große Fehler sehe ich nicht, und ganz grundsätzlich will ich mich nicht damit aufhalten, Dinge zu bereuen. Bestimmte Details würde ich heute sicher anders regeln, aber wir hatten immer nachvollziehbare Gründe für unsere Entscheidungen.
Auch wenn ihr ein aufgeschlossenes Publikum habt, gibt es wohl für jeden Editors-Fan ein problematisches Album. Für dich nicht?
Smith: Wenn ich eine Platte rausstreichen müsste, wäre das der direkte Nachfolger „The Weight of your Love“. Wir mussten mit dem Ausscheiden unseres Gitarristen Chris Urbanowicz zurechtkommen und zwei neue Bandmitglieder integrieren. Stilistisch wirkt die Platte im Nachhinein wie ein Fremdkörper in unserer Diskografie, aber wir brauchten erst mal eine traditionelle und weniger experimentelle Rockplatte, um uns rückzuversichern, dass wir auch in der neuen Besetzung funktionieren. Trotzdem liegen mir einige Stücke sehr am Herzen, und „Sugar“ zählt für mich zu den wichtigsten Editors-Songs überhaupt.
War die Trennung von Chris der Tiefpunkt der letzten 15 Jahre?
Smith: Es war traumatisch, wie wir uns gen Ende gegenseitig blockiert haben, und als dann die Trennung ausgemachte Sache war, folgte die zermürbende Ungewissheit, ob die Band noch eine Zukunft hat. Dementsprechend waren die ersten Festivals in neuer Besetzung auch mein emotionalster Editors-Moment bisher. Direkt nach dem Trauma folgte eine auf die Zukunft gerichtete Euphorie – und dieses Gefühl repräsentiert für mich der Song „Sugar“.
Natürlich erwarten die Fans bei Konzerten auch die Hits vom Debüt. Aber könnt ihr euch mit Songs wie „Munich“ oder „Bullets“ überhaupt noch identifizieren?
Smith: Manchmal läuft „Munich“ im Radio, und dann fühle ich mich von der jugendlichen Energie des Songs immer ziemlich erschlagen. Wenn wir das Stück selbst spielen, fällt mir das Tempo gar nicht so auf, und es macht auch immer noch großen Spaß. Es ist ein bisschen so, als würde man in einem Fotoalbum blättern und darüber lächeln, wie jung wir damals gewesen sind. Sehe ich Bilder aus dieser Zeit, wird mir bewusst, dass wir ja fast noch Kinder waren, und dann finde ich gerade „Munich“ und „Bullets“ wirklich beachtlich.
Auf „Black Gold“ sind mit „Frankenstein“, „Upside down“ und dem Titelstück auch drei neue Songs. Geben sie Hinweise darauf, wie es mit den Editors weitergeht?
Smith: Auch wenn wir sie erst nach den Aufnahmen von „Violence“ geschrieben haben, sehe ich die neuen Stücke eher als Zugaben zu unserem letzten Album. In gewisser Weise schließt sich ein Kreis, weil wir sie mit Garret ,Jacknife’ Lee aufgenommen haben, der schon unser zweites Album produziert hat und mittlerweile in L.A. lebt. „An End has a Start“ war damals sehr schwierig, und Jacknife hat uns wahnsinnig dabei geholfen, nach dem erfolgreichen Debüt die nächsten Schritte zu gehen. Es war einfach schön zu sehen, dass auch die beiden neuen Mitglieder sofort eine Verbindung zu ihm aufgebaut haben und von seinem Enthusiasmus angesteckt wurden. Tatsächlich sehe ich „Black Gold“ als Abschluss eines Kapitels. Ich habe noch keine neuen Songs geschrieben, und das wird vor dem nächsten Jahr auch nicht passieren. Es muss jetzt schon ein größerer Schritt folgen, der ein neues Kapitel einleitet.
Du zweifelst aber nicht daran, dass es noch neue Herausforderungen geben wird?
Smith: Auf keinen Fall. Wobei ich uns aber keinesfalls als Pioniere sehe. Es ging bei den Editors ja nie darum, dass wir etwas erschaffen, was vor uns noch niemand gemacht hat. Wir haben eine spezifische, sehr emotionale und auch romantische Herangehensweise, mit der wir uns in Kontexte stellen wollen, die uns selbst überraschen und bereichern.
Frustriert es dich, wie sich die Musikindustrie in den letzten 15 Jahren etwa mit Streamingportalen und dem starken Fokus auf einzelne Songs verändert hat?
Smith: Ach was, nimm doch nur das fantastische aktuelle Bon-Iver-Album. Er arbeitet dabei zwar mit zeitgemäßer Produktionstechnik, doch der Kern dieser Platte ist ein außergewöhnliches und oft auch ziemlich traditionelles Songwriting. Schon immer konnte ich mit einem Großteil der Mainstreamproduktionen nichts anfangen. Für mich waren die Editors von Anfang an und auch mit den ersten drei Alben eine Alternativeband. Bis heute finde ich es kurios, dass wir es mit einem Songtitel wie „Smokers outside the Hospital Doors“ in die Top Ten geschafft haben. Gleichzeitig ist der Start für eine Band wie uns heute natürlich sehr viel schwieriger. Es gibt kaum noch Bands aus der working class, die ihren Schwerpunkt auf Konzerte legen. Und es gibt dafür ja auch nicht mehr das Publikum. Wenn ich heute Interviews mit jungen Bands sehe, dann sind das fast immer Privatschulabsolventen, die sich das Bespielen der neuen Kanäle auch leisten können.
Worüber werden wir wohl reden, wenn wir uns in 15 Jahren wieder zum Gespräch treffen?
Smith: Ich hoffe, dass wir mit den Editors bis dahin immer noch musikalische Herausforderungen finden werden, auf die wir dann zurückblicken können. Vor allem aber hoffe ich, dass wir noch genügend Haare haben, um der Welt mit okayen Frisuren entgegentreten zu können.