Ohnmächtiger Zorn
|Das Buch zur US-Wahl: John Niven hat mit „Die F*ck-it-Liste“ einen Trump-Roman geschrieben und geizt erwartungsgemäß nicht mit Schockeffekten.

Wie satirisiert man ein Land, dass lächerlicher und zugleich verstörender ist alles, was man sich ausdenken kann? Seit vier Jahren scheitern Gagschreiber*innen auf der ganzen Welt daran, sich über Trumps Amerika lustig zu machen. Kann John Niven uns retten? Immerhin ist der Schotte mit Werken wie „Kill your Friends“ zum Bad Boy der Feuilletons avanciert. Sein neuer Roman „Die F*ck-it-Liste“ zeichnet ein dystopisches Bild: Im Jahr 2026 ist Trump zwar abgetreten, aber dafür ist jetzt Tochter Ivanka Präsidentin und führt das Werk ihres Vaters fort, der wieder vor allem Golf spielt. Immigrant*innen werden noch immer in Camps gesperrt, Lehrer*innen patrouillieren bewaffnet über Schulhöfe, Abtreibungen sind natürlich illegal. Da erfährt der brave Rentner Frank Brill, dass er in ein paar Monaten sterben wird – und beschließt, sich schnell noch an den Menschen zu rächen, die sein Leben ruiniert haben. Die Liste reicht vom Vergewaltiger eines Jugendfreundes bis zu politischen Würdenträgern, denn Frank sieht sich vor allem als ein Opfer der Politik: Seine Frau ist bei einem Amoklauf gestorben, den es bei schärferen Waffengesetzen wohl nicht gegeben hätte, und seine Tochter ist nach einer illegalen Abtreibung verblutet.
John Niven interessiert sich mehr für spektakuläre Schockmomente als für die Frage nach der Herkunft des Faschismus und überzeichnet seine Antagonisten zu grellen Karikaturen. Zum Ende des Buches gibt es einen einzigen Moment, der tiefer blicken lässt (Vorsicht, Spoiler!): Da stellt sich nämlich heraus, dass auch Frank 2016 Trump gewählt hat, um in seinem ohnmächtigen Zorn „denen da oben“ eins auszuwischen. Und eigentlich tut er auch zehn Jahre später nichts anderes – nur nimmt er dazu jetzt die Schrotflinte. Viel dazugelernt haben am Ende von „Die F*ck-It-Liste“ weder Frank Brill noch die USA noch die Leser*innen. Trotzdem steht „Die F*ck-it-Liste“ von John Niven auf unserer Liste der besten Bücher im November 2020.
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