„Zukunftsmusik“ von Katerina Poladjan: Im Hier und Jetzt
„Zukunftsmusik“ von Katerina Poladjan spielt im März 1985 in Moskau und fängt auf filigrane Art einen Epochenwechsel ein, der in diesen Tagen eine neue Leseweise erhält.
In „Zukunftsmusik“ von Katerina Poladjan ist es der 11. März 1985, und durch Moskau weht ganz leicht der vielbesungene Wind of Change: Staatschef Tschernenko ist gestorben, sein Nachfolger heißt Michail Gorbatschow. Noch allerdings ist die Sowjetunion Realität, auch in der Gemeinschaftswohnung, in der vier Generationen von Frauen zusammenleben: Großmutter Warwara, Mutter Maria, Tochter Janka und die kleine Enkelin Kroschka.
An diesem schicksalshaften Tag schlagen sie sich mit Alltagsproblemen herum: Maria geht ihrem sinnlosen Job im Museum nach und flirtet mit dem Nachbar Matjew, Warwara arbeitet auf der Entbindungsstation, Janka sucht fieberhaft nach einer Gitarre für ihr abendliches Konzert. Die tiefgreifenden Veränderungen, die ihren Figuren bevorstehen, deutet Katerina Poladjan nur indirekt an, indem sie den ganzen Roman mit einer hintergründig vergnügten Aufbruchsstimmung unterlegt, die nach und nach sogar das Narrativ selbst erfasst und in unerklärlichen, traumartigen Sequenzen mündet. So fängt sie einen Epochenwechsel auf denkbar filigrane Art und Weise ein.
Mit „Zukunftsmusik“ hat es Katerina Poladjan auf unsere Liste der besten Bücher im März 2022 geschafft.