„Kompass“ von 9inebro: Ein Sadboy im Strudel
Trotz toller Songideen spielt 9inebros „Kompass“ zu oft verrückt: Wo die Hooks trumpfen, stinken die Strophen ab.
Dass zwischen Hasch Rauchen und Nazis Boxen auch noch Platz zum Grübeln bleibt, beweist das deutsche Rapduo Lugatti & 9ine (alias 9inebro) seit nunmehr sieben Jahren. Liebeskummer, Einsamkeit, Depression: Themen, vor denen sich die Kölner noch nie gescheut haben, werden auf 9inebros zweitem Soloalbum „Kompass“ zu einem Strudel verdichtet, gegen dessen Sogkraft sich der Sadboyrapper mit entwaffnender Ehrlichkeit zu verteidigen versucht und dabei mitunter vom Kurs abkommt.
So folgen Koks- und Kiff-Eskapaden auf wirre Gedanken zu sozialer Ungleichheit, und der Sound reicht vom an Annenmaykantereit erinnernden „Crossaint“ über gezupfte Gitarren und moderne HipHop-Songs bis zum düsteren, postpunkigen „Ritual“. Hier hatte jemand viele, ja vielleicht sogar zu viele Ideen. Denn während die Hooks vor Kraft und Eingängigkeit strotzen, wirkt der Rest oft etwas orientierungslos, gestolpert und ungar, was zu beliebigen Deutschpop-Allgemeinplätzen wie „Du machst süchtig so wie Koks“ führt. Allemal mutig ist hingegen der Clash zwischen kölschem „Et hätt noch immer jut jejangen“ und Suizidgedanken. Ein Wagnis, das allerdings nur zeitweise aufgeht.