„Billy Summers“ von Stephen King: Mordsmäßig gut
Stephen King verzichtet in seinem neuen Roman „Billy Summers“ auf die Monster – und zieht dafür lieber eine ganz persönliche Bilanz.
Über 700 Seiten ist „Billy Summers“, der neue Roman von Stephen King, lang, doch die Handlung lässt sich in vier Sätzen zusammenfassen: Billy Summers ist ein Auftragskiller, der aber nach dem Code arbeitet, nur schlechte Menschen umzubringen. Einen letzten Job will er erledigen und sich dann zur Ruhe setzen – nur ist er nicht sicher, ob er seinen Auftraggebern vertraut. Während er nach getaner Arbeit auf das Ende der Fahndung wartet, rettet er zufällig die junge Alice, die gerade Opfer einer Vergewaltigung geworden ist. Gemeinsam gehen sie auf die Flucht.
Und das war’s: keine Monster, kein riesiges Figurenensemble. Während sein Bestseller „Der Talisman“ derzeit von Steven Spielberg als Netflix-Serie verfilmt wird, hält King sich hier mit Referenzen an andere Werke zurück, lediglich das Overlook Hotel taucht in ein paar Nebensätzen auf. Stattdessen konzentriert sich der Autor auf Billy. Dessen Plan für den letzten Hit erfordert eine Menge Geduld und Sitzfleisch, und entsprechend viel Zeit lässt King der Handlung, sich zu entfalten. „Billy Summers“ erzählt eine simple Story über einen alternden Verbrecher, der feststellt, dass er zu alt für seine Arbeit geworden ist und vielleicht ein nicht ganz so guter Mensch ist, wie er immer dachte. Keine originelle Prämisse, aber durch seine Nähe zum Protagonisten vermeidet King viele Klischees – glücklicherweise auch in der Beziehung zwischen Billy und Alice, die leicht ins Schmierige hätte abrutschen können, meist aber mit Takt und Empathie dargestellt wird.
Als würde Stephen King uns Argumente liefern, warum er immer noch weiterschreibt
So ist „Billy Summers“ von Stephen King eine überraschend bodenständige, detaillierte Charakterstudie – und ganz nebenbei eine Ode an das Schriftstellertum. Denn als Alibi gibt sich Billy als Autor aus, der seine Memoiren schreibt, und findet so viel Gefallen daran, dass er sie gleich wirklich zu Papier bringt. Dabei lernt er die befreiende Macht der Fantasie kennen. In diesen Momenten lesen wir die Gedanken von Stephen King selbst, als würde er uns Argumente liefern, warum er immer noch weiterschreibt. Muss er gar nicht: „Billy Summers“ ist zwar kein Meisterwerk, aber Argument genug.