„Auf See“ von Theresia Enzensberger: Runter von der Insel!
Mit „Auf See“ legt Theresia Enzensberger einen theorielastigen, aber eben auch extrem spannenden und wendungsreichen Roman vor.
Und mit „Auf See“ von Theresia Enzensberger nun als noch eine Dystopie unter den Neuerscheinungen! Wer vorab ans Ende von Theresia Enzensbergs zweiten Roman blättert, könnte zudem auch von einer gut zweiseitigen Lektüreaufzählung abgeschreckt werden. Nun ist „Auf See“ tatsächlich eine theorielastige Spiegelung der Gegenwart, doch wer bei der momentanen Flut literarischer Endzeitszenarien womöglich nur ein einziges Mal zuschlägt, sollte diese so immens wichtige Abrechnung mit neoliberalem Gedankengut wählen.
Enzensberger erzählt von der 17-jährigen Yada, die in einer Sonderwirtschaftszone auf der Ostsee lebt. Yadas Vater, ein libertärer Tech-Unternehmer, hat die Seestatt als Rettung vor dem Chaos entworfen, in dem die übrige Welt versinkt. Als Yana entdeckt, dass ihr Vater sie belügt und das elitäre Leben in seiner autarken Stadt auch nur über Ausbeutung funktioniert, entschließt sie sich zur Flucht aufs Festland. Hier lebt auch die Künstlerin Helena, die es mehr oder weniger zufällig zu einer Art Sektenguru gebraucht hat und ein zwar unbedarftes aber eben auch komplett verantwortungsloses Spiel mit ihren Anhänger:innen treibt …
Trotz aller Theorieverarbeitung zeichnet Theresia Enzensberger in „Auf See“ tiefenscharfe Psychogramme
Alle weiteren Plot-Infos liegen hinter der Spoiler-Schranke und würden das Vergnügen mit diesem spannenden und extrem wendungsreichen Roman schmälern. Was „Auf See“ aber vor allem von der zahlreichen Konkurrenz abhebt: Trotz aller Theorieverarbeitung zeichnet Enzensberger tiefenscharfe Psychogramme und degradiert ihre Held:innen nicht zu Platzhalter in einem Planspiel.