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„Alles Licht, das wir nicht sehen“: Billiges Nazimärchen auf Netflix

Alles Licht, das wir nicht sehen All the Light we cannot see Netflix
Die Serie „Alles Licht, das wir nicht sehen“ läuft jetzt auf Netflix. (Foto: © Doane Gregory / Netflix 2023)

„Alles Licht, das wir nicht sehen“ auf Netflix ist grausame Geschichtsklitterung und flaches Heldenepos mit kitschigem Willen zur Versöhnung.

Herbst 1944: Im französischen Küstenstädtchen Saint-Malo ist die Hölle los: Nacht für Nacht bombardieren US-Flugverbände das Städtchen, das Monate nach dem D-Day noch immer von Nazi-Deutschland besetzt ist. Doch die Wehrmacht hat nicht mehr viele Truppen hier: Werner (Louis Hofmann („Dark“, „Der Passfälscher“) ist nicht nur ein genialer Techniker und Funkspezialist, sondern auch ein heimlicher Hörer verbotener Auslandssender, vor allem aber hört er die Sendung der blinden Marie-Laure (Aria Mia Loberti), die Nacht für Nacht aus Jules Vernes „20 000 Meilen unter dem Meer“ liest. „Alles Licht, das wir nicht sehenstartet jetzt auf Netflix.

„Alles Licht, das wir nicht sehen“: Der gute Nazi und die Resistance

Gejagt vom durchgeknallten Wehrmachtsoffizier Reinhold von Rumpel (Lars Eidinger, „Lars Eidinger – Sein oder Nicht sein“, Babylon Berlin“) und beschützt von ihrem Großonkel Etienne (Hugh Laurie, „Catch 22“, „Roadkill“), soll sie jetzt auch noch von dem okayen Nazi Werner geortet werden, damit die Wehrmacht die illegale Funkerin festnehmen kann, die mehr ist als nur eine Radiomoderatorin. Irgendwann kommt es in „Alles Licht, das wir nicht sehen“ zum Showdown im Krieg wie auch zwischen diesen Dreien.

Alles Licht, das wir nicht sehen“ ist eine US-Produktion, die schon wie „The Walking Dead: Daryl Dixon“ zwar in Frankreich spielt, in der aber alle nur Englisch sprechen. Man kann auch auf Französisch umschalten oder auf Deutsch, aber es macht die Sache nicht besser, wenn der französische Widerstand im Zweiten Weltkrieg Französisch als Zweitsprache spricht. Oder gar Deutsch! Eine Katastrophe … Aber nicht nur deswegen: Diese Kriegsheldenserie macht aus den schlimmen Verbrechen Nazideutschlands Kleinkram: Ein guter Nazi, ein durchgeknallter, kranker Nazi auf der Suche nach einem gesund machenden Diamanten und ein paar völlig unmotiviert grausame Wehrmachtssoldaten, die bald sterben müssen, sind der Feind. Der französische Widerstand besteht aus alten Frauen, einem blinden Mädchen und ihrem von Mark Ruffalo („I Know This Much is True“) gespielten Vater sowie dem seit dem Ersten Weltkrieg traumatisierten Kriegshelden Etienne. Die gesamte Geschichte wirkt wie ein kitschiges Märchen vom Kampf des existenziell Guten gegen das existenziell Böse. Serien wie diese machen aus dem größten Vernichtsungskrieg aller Zeiten und der historisch singulären Shoa ein plumpes Abenteuerspiel, an dessen Ende sich die Jugend der gegnerischen Verbände in den Armen liegt.

Der gleichnamige Roman von Pulitzer-Preisträger Anthony Doerr erschien vor einigen Jahren. Ein Blick ins deutsche Internet zeigt: Er ist nicht besser als diese katastrophale Verfilmung.

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