„Witz“ von Joshua Cohen: Sprachliche Stolpersteine
Der gefeierte US-Autor Joshua Cohen behandelt den Holocaust in „Witz“ mittels postmoderner Comedy – ein Wagnis, das sich auszahlt.
„Witz“ ist Joshua Cohens („Auftrag für Moving Kings“, „Solo für Schneidermann“) Opus magnum: ein 900 Seiten langer Roman von surrealer Bildkraft, sprachlicher Meisterschaft und einer Dichte, dass man nur den rauchenden Kopf schütteln kann. Erwartungsgemäß hagelt es Vergleiche mit Pynchon und Wallace – und nicht nur, weil Übersetzer Ulrich Blumenbach auch „Unendlicher Spaß“ und „Der bleiche König“ ins Deutsche übertragen hat. Doch es ist fraglich, ob selbst diese beiden Institutionen der Postmoderne den erzählerischen Kunstgriff gewagt hätten, den Cohen zum Ausgangspunkt seines Romans macht: Am Sabbatabend, Weihnachten 1999, stirbt die jüdische Weltbevölkerung über Nacht aus – zunächst, als ironischer Twist der zehnten biblischen Plage, bis auf die erstgeborenen Söhne.
Doch kurz darauf sind auch die alle tot – bis auf einen: Benjamin Israelien aus New Jersey, eine Woche vor dem großen Sterben zur Welt gekommen, voll ausgewachsen, mit Bart und Brille und ständig abfallender und wieder nachwachsender Vorhaut. Schon bald inszeniert die US-Regierung Ihn, dessen Pronomen Cohen konsequent großschreibt, als Messias, das Judentum wird zur großen Mode des neuen Jahrtausends. Aber sein Status als Erlöser hält nicht lange an, und Ben wird von den dogmatischen Massen verfolgt – wie auch alle, die sich weigern, zum Judentum zu konvertieren …
„Witz“ von Joshua Cohen: Wie schreibt man über das Unerträgliche, Undenkbare, Unwiedergutzumachende?
Mit dämlichen Wortspielen, Slapstickeinlagen und Fäkalhumor geht Cohen das ernsteste Thema von allen an: die Shoa. Er beginnt seinen Roman mit den Überlebenden, die buchstäblich durch einen Ofen in die USA reisen, und lässt Benjamin im Verlauf des Romans in die polnische Heimat seiner Vorfahren zurückkehren. Der Zivilisationsbruch zeichnet sich auch in der Sprache ab: Cohen stoppelt endlose Bandwurmsätze zusammen, geht über die Grenzen der Grammatik hinaus und lässt uns oft orientierungslos zurück. Doch all diese sprachlichen Stolpersteine sind ebenso ernst gemeint wie die zahllosen biblischen Anspielungen und jiddischen Ausdrücke, mit denen er den Roman durchwebt: Sie sind vielleicht der einzige Weg, über das Unerträgliche, Undenkbare, Unwiedergutzumachende zu schreiben.