„Where’s Wanda?“: In der Kleinstadt wohnt das Böse
David Lynch? Nein. Aber ein bisschen gruselig-komisch wird es schon in der Serie „Where’s Wanda?“, die auf Apple TV+ gestreamt werden kann. In den Hauptrollen: Heike Makatsch, Axel Stein und Lea Drinda.
In der Kleinstadt wird einmal im Jahr ein Fest zu Ehren des Nuppelwockens gefeiert. Dieses Monster holt sich laut Legende seit vielen Jahrhunderten regelmäßig die schönste Jungfrau des Ortes, weshalb sich die weiblichen Teenager am Festtag immer bestens rausputzen. Dumm nur: An diesem Festtag, der gerade anbricht, verschwindet mit Wanda Klatt (Lea Drinda, „Wer wir sind“, „Der Greif“) wirklich ein Mädchen, während ihr Vater (Axel Stein, „Spieleabend“, „Der Spalter“) auf dem Fußballplatz ein Spiel anschaut. „Where’s Wanda?“ kann auf Apple TV+ gestreamt werden.
In der ersten deutschen Serie auf Apple TV+ verschwindet die 17-jährige Titelheldin. Wanda selbst moderiert jede Folge der Serie an, gibt Hinweise, verwirrt mit Ablenkungsmanövern und veranstaltet fast schon ein Ratespiel mit den Menschen, die die Serie schauen. Die Regisseure Tobi Baumann („Faking Hitler“, „791 km“), Christian Ditter („Biohackers“) und Facundo Scalerandi („King of Stonks“) haben „Where’s Wanda?“ nach einer Idee von Oliver Lansley, Zoltan Spirandelli und dem Drehbuch von Oliver Lansley mal schwarzhumorig bis klamottenhaft, mal ernstaft und mit charakterlichen Tiefenzeichnung der Hauptpersonen inszeniert.
Wandas Eltern Carlotta und Dedo, gepielt von Heike Makatsch („German Genius“, „Herzogpark“) und Axel Stein, die mehr durch Zufall auf die Idee kommen, die gesamte Nachbarschaft im Örtchen Sundersheim digital zu überwachen, weil sie den dringenden Verdacht haben, dass ihre Tochter ein, zwei oder drei Blöcke weiter in einem Keller oder Schuppen eingeschlossen ist, sind zunächst die Hauptfiguren der Serie. Dass die von Nikeata Thompson („Pauline“, „How to Dad“) gespielte Polizistin selbst intensiv ermittelt, wollen sie nicht wahrhaben, so sehr sind sie auf ihre Trauer fixiert, die sie mit Tatendrang kompensieren wollen. Immer wiederkehrende Sequenzen der vor ihrem Verschwinden mit ihrem Rad durch Sundersheim fahrenden Wanda bilden in etlichen Folgen den Fixpunkt der Serie. Während die Handlung am Ende bei Tag 100 nach Wandas Verschwinden anlangt, lassen Rückblenden in den Tag 0 mehr und mehr Informationen durchdringen, die den Tathergang überhaupt erst erklärbar machen. In der vorletzten Folge geht die Serie gar ins Jahr 1989 zurück: dort liegt der Ursprung nicht nur des irgendwie gearteten organisierten Verbrechens im Ort, sondern auch Erklärungen dafür, wie die Verwicklungen heute noch sind innerhalb einer Gemeinschaft, die oberflächlich gesehen der ideale Ort für familäres Wohnen zu sein scheint. Doch in Wirklichkeit befindet sich im Keller der Paartherapeutin ein Sado-Maso-Studio, ein älterer Herr (Joachim Król, „Eine Million Minuten“, „Wochenendrebellen“) hält seine demente Frau im Keller gefangen, und oben wohnt bei ihm die Liebhaberin. Ein anderer Nachbar hält sich im Keller einen halben Zoo und handelt auch mit Raubtieren. Und Carottas Bruder schließlich (Devid Striesow „Das Fest der Liebe“, „Nackt über Berlin“) schafft sich einen Käfig an – doch wofür? So entdecken Carlotta und Dedo immer mehr Geheimnisse, aber verwenden können Sie sie nicht, wofür auch? Leider problematisiert die Serie dieses – wenn auch aus dem Schmerz geborene – kriminelle Ausspionieren der Menschen durch Dedo und Carlotta nicht im Geringsten. Doch das soll der einzige relevante Kritikpunkt sein neben dem Monieren der manchmal doch sehr klamottenartig ausfransenden Handlung hinein ins absolut Unwahrscheinliche. Dass die Serie von diesem Punkten wieder zurückfindet in den „seriösen“ Handlungsstrang, macht hingegen ihre Qualtät aus.
Weitere Akteure und Akteurinnen der Serie: Kostja Ullmann, „Westwall“, „Wir können nicht anders“), Harriet Herbig-Matten („Maxton Hall“, „Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“) und Jasmin Shakeri, „Buba“, „Deadlines“).